Darf ich NEIN sagen?

Jeder, der diese Frage von einem erwachsenen Menschen gestellt bekommt sagt automatisch: „Selbstverständlich darfst du NEIN sagen! Was ist denn das für eine Frage?“ oder „Wer könnte dir NEIN-sagen denn verbieten? Du bist doch erwachsen!“ Allerdings bekomme ich diese Frage sowohl in meinen Trainings als auch im Coaching immer wieder ganz ernsthaft gestellt.

Menschen ärgern sich über sich selbst, wenn sie immer wieder Aufgaben übernehmen, die nicht zu ihrer eigentlichen Tätigkeit gehören. Manchmal erhalten sie dafür nicht einmal den Dank, den sie sich erwarten. Sie bringen sich damit in ihrem Arbeitsalltag ständig in Zeitnot. In meinen Coachings  erzählen mir Führungskräfte, dass sie z.B. einen Urlaubsantrag nicht ablehnen können oder Aufgaben von der Geschäftsleitung übernehmen, obwohl sie wissen, dass alle schon mehr als ausgelastet sind. Diese Schwäche NEIN zu sagen, macht sie bei ihrem Team nicht wirklich beliebt. Andere Führungskräfte berichten, dass sie  rasch von neuen Aufgaben begeistert sind und nicht überprüfen, wie hoch der zeitliche Aufwand wirklich sein wird.

In Trainings mit AssistentInnen ist das Thema „NEIN-Sagen“ ein Dauerbrenner. Sie wollen beliebt bleiben und ihre Rolle als hilfreiche Kollegin nicht aufs Spiel setzen. Daher gelingt es manchen nicht, passende Grenzen zu setzen und NEIN zu sage.

Damit man nun in den gewünschten zukünftigen Situationen endlich NEIN sagt, braucht man Unterstützung auf folgenden Ebenen:

1. Sprachliche Fähigkeiten
Verschiedene Varianten, sich beim NEIN-Sagen sprachlich elegant auszudrücken. Wie sollte man jetzt vorgehen? Zum Beispiel kann man andere Menschen, die dies gut können, beobachten und sammelt die für einen selbst passenden Varianten. Am besten schreibt man diese Varianten nieder. In meinen Trainings stelle ich auch meine Sammlung von unterschiedlichen Varianten vor. Dann beginnt das Üben.

2. Suche nach inneren Blockaden
Wenn jemand Glaubenssätze wie „eine Frau muss immer unterstützen“ oder Loyalitäten aus dem familiären Kontext wie „es ist verboten hierarchisch höheren Personen zu widersprechen“ (Vater, Lehrer, Großeltern, etc.) in sich trägt, dann blockieren diese unbewusst die unbeschwerte Anwendung des NEINs. Diesen hinderlichen Loyalitäten kommt man am besten über einen kurzen Loyalitätstest auf die Spur. Dabei testet man die Stimmigkeit unterschiedlicher Sätze u.a. des Satzes: „es ist mir erlaubt NEIN zu sagen“. Erst wenn diese Hindernisse aufgespürt wurden und bewusst sind, kann man sie bearbeiten und so lösen.

Mit Hilfe eines Rückgaberituals können zum Beispiel familiäre Glaubenssätze an durch den Test identifizierte Familienmitglieder zurück gegeben werden. Das Rückgaberitual ist ein wirksames Ritual aus der Welt der Aufstellungsarbeit um übernommene und störende Verhaltensweisen oder Glaubenssätze an die Generation zurückzugeben, wo sie entstanden sind. Dabei ist es wichtig, dass  Möglichkeiten entwickelt werden, um auf eine andere Art und Weise mit diesen Familienmitgliedern in Kontakt bleiben zu können.

3. Unterstützung auf der mentalen Ebene
Dabei stärkt man des innere Bild des Wortes NEIN mit Hilfe von Magic Words. Ein starkes NEIN-Bild stärkt mental die innere Überzeugung, dass man NEIN-Sagen darf und kann.

Ein kleiner Tipp bevor Sie jetzt loslegen:
Denken Sie darüber nach, welche Auswirkung ein NEIN auf andere Personen haben wird, bevor sie sich ans Üben machen. Sollte der Job oder eine wichtige Beziehung in Gefahr sein, dann ist es wohl besser, beim Gewohnten zu bleiben bzw. vorsichtig vorzugehen.

Ist jedoch keine allzu heftige Reaktion aus dem Umfeld zu erwarten, dann darf geübt werden.  Beginnen Sie zunächst in einfachen Situationen und bei Menschen, die wahrscheinlich das NEIN eher akzeptieren werden. Später dann in schwierigeren Situationen und bei Menschen, die vermutlich einen stärkeren Widerstand leisten werden. Am besten machen Sie eine Statistik über gelungene und weniger gelungene NEINs.

Meine Coachees berichten oft, dass der befürchtete Widerstand gar nicht schlimm war und sie danach sehr stolz auf sich selbst waren, weil sie es endlich geschafft hatten.

Ich freue mich, wenn ich Sie beim Aufspüren Ihrer Bremsen bzw. Blockaden und Ritualen in einem Coachingprozess begleiten kann. Gerne schicke ich Ihnen eine Anleitung zum Rückgaberitual und eine Beschreibung der Magic Words zu. Senden Sie mir dazu eine Nachricht an cl@ladinig.at.

Bildnachweis: Jon Tyson/Unsplash