Du verstehst mich einfach nicht! Wie bitte?
Kommunikation ist die schwierigste Aufgabe, die wir im Miteinander zu bewältigen haben. Wenn sie funktioniert, dann denken wir nicht daran, was wir „richtig“ machen. Wenn sie nicht funktioniert oder aufhört zu funktionieren, dann spüren wir, wie der berühmte Sand ins Getriebe kommt.
Meist führen unterschiedliche Auffassungen oder Geschwindigkeiten sowie Interpretationen zu Irritationen in der Kommunikation und verstärken sich in einem Teufelskreis.
So auch zwischen Herrn Schuster und Frau Müller. Herr Schuster hatte vor kurzem die Leitung einer kleinen Zweigstelle übernommen und war engagiert dabei, sich um die Kunden zu kümmern. Seine Stellvertreterin und rechte Hand Frau Müller, war schon viel länger im Unternehmen tätig. Sie kannte all die ungeschriebenen Gesetze und kleinen informellen Fallen.
Für Herrn Schuster war es die erste Führungsposition und obwohl er es nicht zeigte, fühlte er sich von der Vielfalt der Aufgaben an der Grenze zur Überforderung. Dies zeigte sich vor allem in seinem konzentrierten Blick, den Frau Müller persönlich nahm. Ihre Gedankengänge waren „Er kann mich nicht leiden“, „Er schaut mich nie an“ – „Wahrscheinlich fühlt er sich von mir bedroht“. Herr Schuster wiederum verstand die schnappige Reaktion von Frau Müller auf seine Fragen und die eher feindliche Haltung, die er verspürte, nicht. Er fragte sich, ob sie gerne seinen Job gehabt hätte und ob sie ihn als Konkurrenten sah.
Sie sprachen sehr wenig miteinander und da sie nicht eingespielt waren, kam es immer häufiger zu Missverständnissen. Beide führten diese darauf zurück, dass der jeweils andere sie/ihn nicht leiden konnte.
Ich wurde von Herrn Schuster kontaktiert, der verzweifelt über die Situation war. Im Grunde sah er sich als umgänglichen Menschen, der auf Teamarbeit großen Wert legt. Frau Müller sah er als sehr wertvolle Arbeitskraft, die er unbedingt behalten wollte. Die Spannungen ließen ihn jedoch immer öfter daran denken, sie zu entlassen. Er wusste sich keinen Rat mehr.
Je ein Einzelgespräch mit Herrn Schuster und Frau Müller zeigte mir, dass beide verzweifelt waren. Beide hätten gerne zusammengearbeitet und „ihr“ Unternehmen weiterentwickelt. Mir war rasch klar, was der guten Zusammenarbeit der Beiden im Wege stand. Einerseits war es die Unsicherheit von Herrn Schuster und die Tatsache, dass er darüber nie gesprochen hatte. Andererseits war es die Welt der Interpretationen von Frau Müller – in der sie wirklich eine Meisterin ihres Faches war.
In einem von mir moderierten Gespräch klärten sie die Beziehungsebene und versicherten einander, dass sie nichts Böses im Schilde führten. Auf meinem Rat trafen sie sich künftig täglich in der Früh für 10 Minuten, um den Tag zu besprechen und die Aufgaben zu verteilen. Durch diese sehr einfache Veränderung in der Förderung der Kommunikation konnten sie in Zukunft persönliche Interpretationen gleich klären. Ich gab ihnen mit auf den Weg, dass man im Arbeitsleben der Sachebene immer mehr Bedeutung einräumen sollte, als der Beziehungsebene. Gefühlte Irritationen sollten dabei sofort in eine Frage umgewandelt werden. Das gelingt natürlich besser, wenn man ständig und regelmäßig in Kontakt ist.
Mit nur einer Sitzung von 2 Stunden und 2 Einzelgesprächen vorab, war ein scheinbar unlösbares Problem gelöst.
Mein Tipp zum Umgang mit (negativen) Interpretationen:
Werden Sie sich darüber bewusst, zu welchen Interpretationen Sie automatisch neigen. Beobachten Sie tägliche Situationen oder Begegnungen mit (neuen) Personen und versuchen Sie diese zu beschreiben, ohne dabei zu interpretieren. Beobachtungen finden auf den Wahrnehmungskanälen statt – sehen, hören, riechen, schmecken, etc. Sie werden sich wundern, wie viel Sie sofort ganz automatisch interpretativ werten.
Interpretationen ordnen unsere Beobachtungen in unser Wertesystem ein und reichern sie sofort mit (positiven und negativen) Emotionen. Dies passiert durch die Einordnung in „gefährlich“ oder „vertraut bis neutral“. Wenn es in einer Sitzung wieder mal rundgeht – das ist schon eine Interpretation.
Als Übung versuchen Sie eine Situation, z.B. eine hitzige Debatte oder ein lebendiges Meeting vollkommen neutral zu beschreiben. Markieren Sie dann Ihre Interpretationen wie z.B. „Heute hat er wieder schlechte Laune“, „Die beiden führen schon wieder einen Hahnenkampf auf“, „Der hält sich doch für den Erfinder der Wahrheit“, etc. Danach ersetzen Sie diese durch reine Beobachtungen.
Sie haben mit ein wenig Übung ab jetzt die Möglichkeit auf die reine Beobachtung zu reagieren und z.B. entspannt eine Frage zu stellen: „Was ist genau zu tun und wann soll es fertig sein?“, „Was genau sagen Sie mit ….?“ oder „Wo ist das geregelt?“, „Wessen Aufgabe ist das?“.
Damit reduzieren Sie (negative) Interpretationen und somit auch negative Emotionen – die Kommunikation in schwierigen Situationen oder mit scheinbar schwierigen Menschen wird somit sachlicher und entspannter.
Wohlgemerkt: positive Interpretationen sind willkommen – alle Rückmeldungen dürfen Sie ungehemmt positiv interpretieren und im Selbstwertkonto verbuchen!
Schreiben Sie mir, wenn Sie Fragen haben oder berichten Sie mir von den Erfahrungen, die Sie machen – wir werden alle Spaß damit haben.
Titelbild: istockphoto.com/monkeybusinessimages