Und weg ist sie, die Motivation

Vor einigen Tagen wurde mir eine ziemlich traurige Geschichte aus dem Arbeitsalltag erzählt – traurig deswegen weil es eine „All loose“ Situation ist.

In einem großen Unternehmen gab es vor einigen Monaten, einen äußerst engagierten Verkaufsleiter. Er arbeitete erfolgreich und selbstständig, kam stets top gestylt mit Anzug und Krawatte und voll motiviert in die Arbeit. Obwohl er bereits senior war, hatte er keine Ahnung wie lange er noch zur Pension hatte. Daran dachte er niemals. Auch während seines Urlaubs war er stets erreichbar und bereit Fragen zu beantworten.

Dann kam ein neuer Chef und man musste mitansehen, wie seine Motivation von Tag zu Tag abnahm. Nach weniger als einem Monat wusste er genau wie viele Jahre er noch zur Pension hatte, kam in T-Shirt und Jeans ins Büro und machte Dienst nach Vorschrift.

Was war passiert?

Sein neuer Chef war leider ein kompletter Kontrollfreak und wusste mit dem Engagement des Verkaufsleiters nichts anzufangen. Er begann ihm Vorschriften zu machen und ihn zu kontrollieren und zeigte weder Respekt vor seiner Seniorität, noch drückte er seine Wertschätzung aus.

Das ist kein Einzelfall

Ein ziemlich ähnlich gelagerter Fall wurde mir im Coaching erzählt. Ein kompetenter Fachexperte und bis zu diesem Zeitpunkt auch sehr engagierte Mitarbeiter, kam zu mir ins Coaching, weil er mit seinem neuen Chef nicht zurecht kam. Er war schon viele Jahre in dem Unternehmen und wusste wie der Hase läuft, kannte alle internen Prozesse und war ein Fachmann auf seinem Gebiet.

Der neue Vorgesetzte, der ein guter Bekannter des Geschäftsführers war und aus der Sicht meines Coachees nur „nach der Pfeife der Geschäftsführerin tanzte“, war unsicher und begann alle MitarbeiterInnen zu kontrollieren. Nichts war ihm Recht, sämtliche vorgelegten Arbeiten besserte er aus oder schrieb Stellungnahmen und Präsentationen um. Seine beliebtesten Aussagen waren „so habe ich mir das nicht vorgestellt“ oder „so kann man das nicht machen“. Bei Nachfragen wie er es gerne hätte, konnte er keine Auskunft geben. Dies führte zu einer massiven Demotivation des Mitarbeiters und der auch seiner sehr erfahrenen KollegInnen im Team.

Wenn die Senorität von MitarbeiterInnen nicht gewürdigt wird und es zu keinen verlässlichen Angaben der gewünschten Qualität kommt, beginnen MitarbeiterInnen sich zurückzuziehen und weniger zu engagieren. Schlimmer noch, sie werden unsicher und das Selbstbewusstsein und die Fähigkeit zur Selbstmotivation schwinden. Diese beiden Fähigkeiten speisen sich aus positivem Feedback.

Was haben diese beiden Führungskräfte, die neu einen Bereich bzw. ein Team übernahmen, zum Schaden des Unternehmens, der MitarbeiterInnen und sich selbst, also falsch gemacht?

Zum Einen ignorieren sie ein sehr wichtiges „systemisches Prinzip“ nämlich das der zeitlichen Reihenfolge in Unternehmen. Nach diesem „Grundsatz“ gilt das Prinzip des zeitlichen Vorrangs – wer früher kam hat Vorrang vor dem, der später dazu kam. Dieses Prinzip wird von allen MitarbeiterInnen in einem Unternehmen sehr stark wahrgenommen – Verstöße dagegen führen oft zu Konflikten. Dieses steht in einem Widerspruch zur hierarchischen Reihenfolge und muss von einer neu hinzukommenden Führungskraft ausbalanciert werden.

Zum anderen braucht es einen vollkommen anderen Führungsstil von sehr selbstständig und kompetent arbeitenden MitarbeiterInnen als von MitarbeiterInnen, die noch neu und unsicher im Job sind.

Ich empfehle daher Führungskräften

  1. systemische Grundsätze zu kennen und sie im Alltag anzuwenden (nach den Metaprinzipien nach Matthias Varga von Kibed) und
  2. mit den MitarbeiterInnen in Anlehnung an die situative Reifegradtheorie von Hersey und Blanchars

dezidiert folgendes zu besprechen:

  • welche Kompetenzen sie – aus ihrer Sicht – mitbringen
  • wo sie Unterstützung der Führungskraft brauchen und
  • wie diese Unterstützung aussehen soll
  • wobei sie Motivation brauchen und wie

Wenn Führungskräfte diese beiden Punkte beachten, dann steht einer erfolgreichen Führung und somit motivierten MitarbeiterInnen nichts mehr im Wege.

Mit meinem Coachee, der ja mit seiner Führungskraft, die diese beiden Punkte nicht kannte bzw. beachtete, auskommen musste, erarbeitete ich ein paar Strategien u.a. auch Fragetechniken, wie er doch mehr Information für seine Orientierung erhalten konnte und eine Mentalmethode, wie er mit der fehlenden Wertschätzung besser umgehen konnte. Mit der Zeit wurde die Zusammenarbeit besser und er erhielt sogar immer wieder positives Feedback.

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