Vernichtende Kritik oder gut gemeintes Feedback

Stellen Sie sich vor, Sie werden zum „Über-Chef“ zu einem Gespräch eingeladen und dieser beginnt das Gespräch mit den Worten: „Sie tun sich ja mit ihren Aufgaben recht schwer – diese sind halt nicht für jeden geeignet. Wahrscheinlich gibt es Aufgaben, die Ihnen mehr liegen, als die, die sie jetzt gerade ausführen. Wir werden für Sie nach der Bildungskarenz ein neues Aufgabengebiet finden, das Ihnen mehr liegt.“

Dies ist einem Coachee von mir passiert, der kurz vor dem Antritt seines Bildungsurlaubs zum Abteilungsleiter gerufen wurde. Davor haben weder sein Teamleiter, noch die Teammitglieder irgendwie ein Gespräch gesucht und ihm mitgeteilt, dass die Erledigung der Aufgaben nicht passt oder dass andere nacharbeiten müssen. Also ist mein Coachee aus allen Wolken gefallen.

Die gut gemeinte Aussage: „Wir finden nach der Bildungskarenz etwas Passendes für Sie“, wurde von meinem Coachee nicht als hilfreich aufgenommen.

Was ist passiert? Aus falsch verstandener Rücksicht und wie sich später herausstellte, Feigheit von Seiten des Teamleiters, wurde mein Coachee nie auf seine Fehler aufmerksam gemacht. Zeichen von Ärger oder Zurückhaltung von den anderen KollegInnen im Team hat er nicht auf sich bezogen und auch nicht nachgefragt.

Der Fehler des Abteilungsleiters war natürlich, dass er den Teamleiter nicht gefragt hatte wie und wann er mit seinem Mitarbeiter über die Arbeitsqualität gesprochen hat. Außerdem hat er den Coachee auf eine äußerst unsensible Art und Weise auf die Probleme bzw. Rückmeldungen der KollegInnen angesprochen. Statt Fragen zu stellen hat er ihn, wenn auch gut gemeint, vor den Kopf gestoßen.

Nicht jede/r verträgt direktes Feedback. Bei manchen Menschen kommt Feedback immer als Kränkung an, weil sie nicht zwischen „Arbeitsqualität“ und „ganzer Person“ unterscheiden können und somit hören, dass sie als ganzer Mensch nichts wert sind.

Führungskräfte sollten daher genauer schauen, wem sie auf welche Art und Weise Feedback geben. Sie können auch das Team daran gewöhnen, indem sie Feedbackrunden in die regelmäßigen Teamgespräche aufnehmen. Auf jeden Fall sollten sie immer nach „was ist gut gelungen“ und „was sollte wie verbessert werden“ fragen. In den meisten Fällen hilft das, Feedback besser annehmen zu können. Einige halten direktes Feedback gut aus , andere sind durch negatives Feedback immer beleidigt.

Wenn Sie Feedback erhalten, dann fragen Sie – auch wenn es sich unangenehm anfühlt – nach: Was genau passt nicht? Wie sollten Sie es besser machen? Woran könnten Sie erkennen, dass die Aufgaben in der passenden Qualität ausgeführt werden?

Weisen Sie pauschale Anschuldigungen und „hören sagen“ zurück und ersuchen Sie um konkret beobachtbare Rückmeldungen. Gegebenenfalls ersuchen Sie um einen Beobachtungszeitraum und sofortiges Feedback.

Wir brauchen Feedback von unseren Mitmenschen, um uns zu verbessern und um das Selbstbild dem Fremdbild anzugleichen – nur so sind wir authentisch und Rückmeldungen können uns nicht so unvorbereitet treffen.

Mein Tipp ist, dass Führungskräfte lernen, mit Maß und Ziel, konkret und auf die Person bezogenes Feedback zu geben. MitarbeiterInnen wiederum sollten lernen, aktiv Feedback einzuholen. So können gute Zusammenarbeit und Weiterentwicklung gelingen.

Bild: andre mouton/unsplash.com